„Vater, ach hilf, wenn euch Macht in Strömen gegeben! Wandele meine Gestalt, denn darin gefalle ich zu sehr.“ Kaum dass Daphne dies erfleht, faßt starrende Lähmung ihre Glieder, Und mit geschmeidigem Bast umzieht sich der schwellende Busen. Grünend erwachsen zu Laub die Haare, zu Ästen die Arme…
Ovid´s Metamorphosen, Apoll und Daphne
Photography . Jens S. Achtert KREATV
Project . OVID´S METAMORPHOSEN
Model . Anna Denk
Make-up | Hair . Marlene Prasse
Metamorphosen – sie begegnen uns überall in der Natur: Die unscheinbare Raupe, die sich zum prächtigen Schmetterling verwandelt, die fischähnliche Kaulquappe, die zum hüpfenden Frosch wird und natürlich das hässliche Entlein aus dem sich der anmutige Schwan entwickelt. So verwundert es nicht, dass diese geheimnisvolle Umwandlung [griechisch ???????????? – metamórphosis] früh Eingang in die Kunst gefunden hat.
Die Verwandlungsgeschichten aus der antiken Sagenwelt des Dichters Ovid [* 43 v. Chr. in Sulmo; † um 17 n. Chr. in Tomis] gehören mit Sicherheit noch immer zu den bildgewaltigsten und hervorragendsten Werken über Metamorphosen. Seine blutstarrenden Schilderungen handeln von schicksalträchtigen Bewegnungen zwischen Menschen und antiken Göttern, die in aller Regel mit der schicksalsvollen Verwandlung des Protagonisten enden. Das gequälte menschliche Wesen wird in eine andere Erscheinung als Tier oder Ding verbannt. Ovid scheint damit sein eigenes, trauriges Ende vorweg zu nehmen; er wird selbst überraschend verbannt und geht daran zu Grunde. Über die Hintergründe dieser Verbannung wird noch heute spekuliert, bis zu seinem Tod versucht er verzweifelt sich vom verärgerten Kaiser begnadigt zu lassen.
So elendig sein Ende, so grossartig ist das Vermächtnis der Dichtung Ovids. In den folgenden Jahrhunderten lassen sich bildende Künstler aller Sparten von seinem Werk und seinen in Worten gefassten Bildern inspirieren. Darstellungen von Niobe, Medea, Daphne und Eurydike oder Orpheus, Apollo, Narziss und Icarus werden künftig -wenn auch nicht ausschließlich- durch die DichtungOvids geprägt.
Shakespeare setzt mit „Romeo und Julia“ und „Ein Sommernachtstraum“ dem Ovidschen Werk „Pyramus und Thisbe“ ein unumstößliches Denkmal in der Literatur. In Hollywood ehrte der Regisseur Stanley Kubrick 1999 den Dichter der Liebe im Film Eyes Wide Shut mit einem wunderbar dekadenten Dialog zwischen Nicole Kidmann und Sky du Mont.
Nicht nur die griechische und römische Antike kennt das Motiv der Metamorphose. Ovids Verwandlung des Königs Lykaon findet sich in der altgermanische Mythologie des Wer(wolfes) wieder. Den Glaube an Verwandlungen von Menschen in (Wer)Tiere [Therianthropie] findet man weltweit, vor allem aber in Afrika und Amerika.
Der Verwandlung in einen Werwolf zum Vollmond geht in der Regel ein Pakt mit dem Teufel voraus, aber auch Vererbung oder Verwundung sind möglich Ursachen. Auf einem Holzstich von 1512 stellt Lucas Cranach der Ältere so einen Werwolf in Mitten zahlreicher abgerissener Leichenteile dar. Obwohl das Wesen auf diesem Bild auf allen Vieren geht und gerade mit wildem Gesichtsausdruck ein kleines Kind mit den Zähnen zerreißt, ist es noch klar als Mann zu erkennen. Es scheint sich in den damaligen Vorstellungen so zu verhalten dass der Befallene durch das Anlegen des Wolfsgürtel die Kräfte und das Wesen eines Wolfes, aber nicht tatsächlich seine Gestalt, annimmt. Viele sehen darin auch einfach die Folgen einer Tollwutinfektion. Noch im 19. Jahrhundert wurde der Versuch gemacht die sogenannte Lykanthropie wissenschaftlich zu erforschen. Heute kennt man die Metamorphose eines Mensch in einen Wolf eher aus Romanen wie Joanne K. Rowlings Harry Potter oder Stephanie Meyers Twilight, wobei das einst gefürchtete Monster nun zum Sympathieträger gewandelt ist.
Eine Wandlung vom Bösen zum Guten gibt es im Märchen oft: der geliebte Mensch wird dabei durch einen bösen Fluch zunächst in ein Tier verwandelt. Ob es nun Ekel oder Angst vor dem dem unbekannten, wilden Wesen ist, die meist weiblichen Helden überwinden ihre Furcht und die Liebe obsiegt. Damit wird der Fluch gebrochen und die Verwandlung rückgängig. Nicht nur bei den Brüdern Grimm gibt es eine unglaubliche Vielzahl von solchen Erzählungen und Variationen der Metamorphose: Im „Froschkönig“ schafft es der verzauberte Prinz durch einen Handel bis ins Bettchen der schönen Prinzessinin und In „Die sieben Schwäne“ erlöst die Schwester ihre verzauberten Brüder durch handgewebte Kleidung aus Brennessel. Andere Dichter beschreiben ebenfalls solche Metamorphosen. Eine besonders schön verfilmte Erzählung („La Belle et la Bête“ von 1946 mit Jean Marais) von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve handelt vom schönen Mädchen, das sich in ein wildes Tier verlieben muss, um ein Königreich vom Fluch zu befreien. Dem französischen Märchen wurde 1994 ein Disney-Musical unter dem Namen „Die Schöne und das Biest“ gewidmet.
Hingegen dem Vorbild der Natur, bei der eine Metaphorpose stets zu einer Höherentwicklung führt, sieht sich der Mensch selbst durch eine Metamorphose am Ende immer bestraft.
In Dante´s Inferno werden die Seelen der Selbstmörder in Bäume verwandelt, die für immer in ihrer Verzweiflung verharren.
Das Motiv der Verdammung durch Metamorphose verwendet Kafka 1912 in „Die Verwandlung“, ebenso Ionesco 1957 in seinem Stück „Rhinocéros“.
Autor Jens S. Achtert | KREATV
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